Weber, Danny: 

Das Handels- und Bankhaus Frege & Comp. in Leipzig (1739–1816)

Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 2008.

 

 

 

 

Der Leipziger Kaufmann Christian Gottlob Frege (1715–1781), Begründer des Handels- und Bankhauses Frege & Co., genoss bereits unter den Zeitgenossen hohes Ansehen, Ludwig Veillodter zählte ihn 1796 unter die „merkwürdigen und berühmten Kaufleute“ und druckte eine kurze Lebensbeschreibung. Dieser zufolge beruhte der geschäftliche Erfolg Freges vor allem auf „Gefälligkeit und Höflichkeit“ gegenüber seinen Handelspartnern, auf seinem „unermüdeten Fleiß“ und auf drei günstigen Heiraten, die seinem Geschäft wiederholt „angesehnliche Vermögen … zubrachte[n].“ Dass Frege vor allem Wechselgeschäfte betrieb, daneben aber auch auch mit der „Verwaltung der Churfürstlichen Münze … Millionen um[setzte]“, erfahren wir aus Veillodter Darstellung ebenso, wie wir über sein Engagement im Bergbau, im Pulvergewerbe sowie bei der Alaun– und Vitriolverhüttung in Kenntnis gesetzt werden. [1] Die knappe biographische Skizze von Veillodter trägt die typischen Züge eines Nachrufs in volksaufklärerischer Absicht, der persönlichen Erfolg regelmäßig einem untadelhaften und vorbildlichen Charakter zuschreibt.

Dass mit Blick auf das Handelshaus Frege der Versuch unternommen werden kann, die konkreten ökonomischen Aktivitäten zu rekonstruieren, welche die Zeitgenossen zu solchen Urteilen inspirierten, ist dem glücklichen Zufall zu verdanken, dass bei Baumaßnahmen am Frege’schen Haus in Leipzig Mitte der 1970er-Jahre Teile des Firmenarchivs geborgen werden konnten. Auf dieser „vergleichsweise gute(n) Basis von Primärquellen“ unternimmt Danny Weber in seiner hier vorzustellenden Studie, einer 2007 an der Universität Leipzig angenommene Dissertation, den Versuch, „Fragen des Aufstiegs der Freges, des ökonomischen Umfelds … der verschiedenen geschäftlichen Strategien und der Verbindung von ökonomischer und politischer Sphäre“ (S. 16) zu bearbeiten. Webers Studie fasst nicht nur den von bereits von Veillodter vorgestellten Firmengründer ins Auge, sondern bezieht auch seinen gleichnamigen Sohn und Nachfolger im Geschäft ein, der dem Handelshaus bis 1816 vorstand. Der Autor beschränkt sich jedoch nicht auf eine Auswertung der Firmenüberlieferung, sondern ergänzt diesen umfangreichen Quellenkorpus durch Überlieferungen aus staatlicher Provenienz im Hauptstaatsarchiv Dresden, insbesondere durch Verwaltungsschriftgut des kursächsischen Staates.

Webers Darstellung folgt einer Gliederung der wirtschaftlichen Aktivitäten des Handels- und Bankhauses Frege in vier große Geschäftsbereiche: Warenhandel, Beteiligungen im Bergbau, Bankgeschäfte mit Privatpersonen und mit Staatskassen. Hinzu treten als Residualkategorie die „zufälligen Nebengeschäfte“, nämlich kurzfristige Engagements im gewerblichen Bereich und in der Landwirtschaft sowie Immobilien- und Kapitalgeschäfte. Für die ersten Jahrzehnte des Handelshauses bietet die Arbeit nur sehr spärliche Informationen: Weber erwähnt vor allem die Pachtung der sächsischen Münze und die Eintreibung von Kontributionen für den sächsischen Staat im Jahr 1754. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt mit knapp der Hälfte des Textvolumens auf den so genannten „Staatsfinanzgeschäften“, vor allem auf der Ausgabe von Anleihen im Auftrag verschiedener europäischer Mächte in napoleonischer Zeit. Die Untersuchung aller übrigen Geschäftsbereiche nimmt zusammengenommen etwa den gleichen Umfang ein.

Das Handelsgeschäft der Firma Frege untersucht Weber auf der Grundlage zweier „Hauptbücher“ für die Zeit nach dem Siebenjährigen Krieg. Im Zentrum des Warenhandels stand bis Mitte der 1790er-Jahre der Export von Leinwandprodukten aus Schlesien und aus der Oberlausitz. Die Freges traten bei diesen Geschäften ausschließlich als Kaufleute auf, die den Großteil ihrer Geschäfte in Spanien als Verkaufskommissionen abwickelten, den Kontakt mit den Käufern also Geschäftspartnern vor Ort übertrugen. Auch in den Produktionsgebieten bediente sich Frege vermittelnder Kaufleute, trat also nicht als Verleger in Erscheinung. Nach 1785 gewann neben der Leinwandausfuhr der Export von Kupfer nach Frankreich eine gewisse Bedeutung. Bemerkenswert ist dann aber vor allem der geradezu dramatische Bedeutungsverlust des Warenhandels in den Geschäftsbüchern seit den 1790er-Jahren, den Weber vor allem auf die schwierigen Bedingungen des europäischen Handels während der napoleonischen Kriege zurückführt.

Die Betätigung im Kupferhandel in den Jahren 1785–92 war eine Begleiterscheinung des Engagements der Firma im erzgebirgischen Bergbau, insbesondere im Mansfelder Kupferbergbau, wo die Freges zeitweilig umfangreichen Kuxenbesitz erwarben. Welch große Hoffnungen in den Bergbau gesetzt wurden, belegen die zeitweilig erheblichen Zubußen, die geleistet werden mussten, ohne dass regelmäßig mit einer angemessenen Rendite zu rechnen war. Insgesamt blieben, Webers Urteil zufolge, die Erträge des Bergbaus für eine Gesamtbilanz der Firma Frege von untergeordneter Bedeutung.

Als Begleitgeschäft des Warenhandels sind auch eine Reihe von verschiedenen Finanzgeschäften mit anderen Kaufleuten, insbesondere der Handel mit Wechselpapieren, zu verstehen. Das Volumen dieser Geschäfte und ihre Bedeutung für das Handelshaus Frege lässt sich allerdings Weber zufolge nicht präzise bestimmen. Dass sich der Handel mit Wechseln jedoch nicht parallel zur Entwicklung des Warenhandels in den 1790er-Jahren rückläufig entwickelte, sondern ausweislich der vorliegenden Inventuren im Gegenteil sogar deutlich zunahm, darf als Indikator für die hohe Bedeutung von Bankgeschäften in dieser Zeit gelten. Für die Zeit bis Mitte der 1790er-Jahre bestätigt Weber damit die Darstellung von Veillodter, ergänzt sie um eine Fülle von Details, ohne jedoch eine weiterführende Interpretation anzubieten.

Die intensive Betätigung Freges als Bankier im Auftrag verschiedener europäischer Mächte seit den frühen 1790er-Jahren führt Weber dann auf die Notwendigkeit einer Neuorientierung des Geschäfts zurück, nachdem der klassische Warenhandel angesichts der Auswirkungen der napoleonischen Kriege eingebrochen war. Der Platzierung einer ersten österreichischen Staatsanleihe im Jahr 1793 folgte im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts die Betreuung einer Reihe weiterer Anleihen im Auftrag des schwedischen, preußischen und sächsischen Staates. So schwierig die Bedienung von Zinsen und Tilgungen durch die in Kriegszeiten chronisch knappen Staatskassen im Einzelfall auch sein mochte, für die Firma Frege waren Gebühren und Provisionen fast immer eine kaum gefährdete Einnahmequelle, so dass sich der Schwerpunkt der Aktivitäten des Handelshauses rasch in diesen Bereich verschob. Weber macht für die Spezialisierung des Fregeschen Handelshauses auf diese Form von Finanzgeschäften vor allem eine vorsichtig-umsichtige Firmenpolitik verantwortlich – dem Leser drängt sich indes zuweilen der Eindruck auf, dass der Kaufmann Frege es zugleich auch durchaus raffiniert verstand, die schwierige Kriegssituation ohne größere Skrupel für die persönliche Bereicherung zu nutzen.

Im Übrigen trüben konzeptionelle Mängel die Lektüre. Schmerzlich vermisst der Leser eine gründliche Darstellung der Überlieferungslage, insbesondere der erhaltenen Teile des Fregeschen Firmenarchivs und der hier praktizierten Buchführung. Zwar listet Weber im Quellenverzeichnis insgesamt 133 benutzte Signaturen auf, wie die Freges aber ihr Rechnungswesen organisierten und wie das erhaltene Material zu interpretieren ist, bleibt hinter den Signaturen verborgen. Wer etwa die von Weber hin und wieder präsentierten Angaben über „Gewinne“ vergleichend interpretieren möchte, vermisst Hinweise darauf, wie diese Zahlen ermittelt, welche Kosten ausgewiesen und wie diese in die Erfolgsermittlung einbezogen wurden. Ein Blick auf die jüngeren Forschungen über Formen und Funktionen der kaufmännischen Buchhaltung in vorindustrieller Zeit [2] hätte hier möglicherweise weitergeholfen und vor manchem fragwürdigen Urteil bewahrt. [3]

Auch auf eine Diskussion grundlegender Begriffe oder übergreifender Interpretationsangebote zur Handelsgeschichte und zur vorindustriellen Kaufmannschaft verzichtet der Autor. Die Begriffe „Unternehmer“ bzw. „Unternehmung“ etwa verwendet Weber in unterschiedlichen Kontexten auf sehr disparate Weise, ein diesbezügliches Problembewusstsein wird nicht erkennbar. Grundsätzlich fehlt der Arbeit ein erkennbares, über den Einzelfall Frege oder allenfalls die Wirtschaftsgeschichte Sachsens hinausreichendes Interesse. Keine der in den letzten Jahrzehnten diskutierten Thesen und Modelle zur Wirtschaftsgeschichte der vorindustriellen Zeit scheint dem Autor im Kontext seiner Firmengeschichte diskussionswürdig.

Schwerer wiegt schließlich, dass der Autor auch darauf verzichtet, den aktuellen Forschungsstandes zur Kenntnis zu nehmen. Stattdessen behauptet er, hinsichtlich der „Erforschung von Handels- und Bankhäusern“ der vorindustriellen Zeit seien lediglich „zwei umfangreichere Arbeiten herauszuheben“ (S. 15f.), nämlich die ältere Arbeit Heinrich Schnees zu den jüdischen Hoffaktoren und die magere, auf schmaler Quellenbasis gearbeitete Studie von Zellfelder zu den Frankfurter Gebrüdern Bethmann [4] – als liege nicht mit Henningers Buch zu den Bethmanns eine ungleich ertragreichere Arbeit vor [5], als existierten nicht allein für den deutschsprachigen Bereich eine große Zahl ergiebiger Studien zur vorindustriellen Bank- und Handelshäusern, etwa von Flügel, Krause, Kriedte, Liedtke, Pfister, Reininghaus, Straubel oder auch des Rezensenten. Manche der offenen methodischen Fragen und manches konzeptionelle Manko hätte sich beheben lassen, hätte der Autor nur den Blick über den Fregisch-sächsischen Tellerrand hinaus gewagt.

 

Anmerkungen:

 
[1] Ludwig Christoph Carl Veillodter, Lebensbeschreibungen merkwürdiger und berühmter Kaufleute, Nürnberg 1796, hier S. 55–69.

[2] Vgl. etwa die gründliche Analyse bei Franz-Josef Arlinghaus, Zwischen Notiz und Bilanz. Zur Eigendynamik des Schriftgebrauchs in der kaufmännischen Buchführung am Beispiel der Datini-diBerto-Handelsgesellschaft in Avignon (1367–1373) (Gesellschaft, Kultur und Schrift 8), Frankfurt am Main 2000.

[3] Abenteuerlich mutet Webers nicht weiter belegte These an, „das Charakteristikum der Fregeschen Buchführung [sei] die Tendenz zur Verschleierung. Vor dem Hintergrund der preußischen Besatzungen … war man dazu übergegangen die Buchführung möglichst so einzurichten, dass sich Vermögens- und Geschäftszahlen ‚kaum’ durch einen Fremden erschließen lassen sollten“. (S. 20) Bemerkenswerterweise zieht Weber im Folgenden aus dieser These keine weiteren methodischen Konsequenzen.

[4] Heinrich Schnee, Die Hoffinanz und der moderne Staat. Geschichte und System der Hoffaktoren an den deutschen Fürstenhöfen im Zeitalter des Absolutismus, 5 Bde., Berlin 1953–65; Friedrich Zellfelder, Das Kundennetz des Bankhauses Gebrüder Bethmann, Frankfurt am Main, im Spiegel der Hauptbücher (1738–1816) (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 56), Stuttgart 1994. 

[5] Wolfgang Henninger, Johann Jakob von Bethmann 1717–1792. Kaufmann, Reeder und kaiserlicher Konsul in Bordeaux. 2 Bde. (Dortmunder Historische Studien 4), Bochum 1993. 

 

Stefan Gorißen

(Forrás: H-Soz-u-Kult)