Biographische Enzyklopädie der deutschsprachigen Aufklärung

Hrsg.: Vierhaus, Rudolf – Bödecker, Hans Erich

München, K. G. Saur, 2002.

 

 

 

 

Auf der Basis der zwischen 1995 und 2000 unter der Herausgeberschaft von Walter Killy und Rudolf Vierhaus erschienenen "Deutschen Biographischen Enzyklopädie" (10 Bände, zwei Supplementbände) präsentiert der vorliegende Band 1130 Personen, die - zeitlich zwischen spätem 17. und frühem 19. Jahrhundert verortet - der Aufklärung zugerechnet werden können. Nachdem die Frage, wer Aufklärer oder Aufklärerin gewesen ist, mindestens ebenso schwer zu beantworten ist wie die Schlüsselfrage "Was ist Aufklärung?", entschieden sich die Herausgeber, den Kreis der Aufzunehmenden weit zu fassen und tendenziell all jene zu berücksichtigen, die im genannten Zeitraum intellektuell hervorgetreten sind und die in der für die Aufklärung typischen praxisorientierten Absicht die bestehenden Verhältnisse verbessern wollten - sei es als Pädagoge oder als Verleger, als Verwaltungsjurist oder als Unternehmer, als Theologe oder als Staatsmann. Nun versucht man als Rezensent eines Lexikons zunächst einmal, sich einen Überblick zu verschaffen, welche Personen aufgenommen wurden beziehungsweise herauszufinden, was, salopp gesagt, nicht drin steht.

Hier ist zunächst einmal anzuerkennen, dass auch die süddeutsch-katholischen Aufklärer durchaus angemessen berücksichtigt sind, was in der lange Zeit mehr oder minder ausschließlich auf die protestantischen Territorien fokussierten Aufklärungsforschung nicht immer selbstverständlich war. Daneben stößt man aber auch auf die eine oder andere überraschende Lücke. So findet man zwar Einträge zu den im österreichischen Staatsdienst tätigen Karl und Ludwig von Zinzendorf, jedoch keinen zum 1760 verstorbenen Gründer der Herrnhuter Brüdergemeine, Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Zwar wurde Dorothea von Erxleben berücksichtigt, nicht aber Johann Christian Polycarp Erxleben als einer der wichtigen Vertreter der Göttinger Gelehrsamkeit des 18. Jahrhunderts. Freilich ist zu konzedieren, dass die ein oder andere Lücke wohl selbst beim ambitioniertesten Lexikonprojekt nie zu vermeiden ist. Der Wert der thematischen Bündelung biografischer Artikel, die ansonsten nach der Logik des Alphabets geordnet und über die Bände einer Enzyklopädie gestreut sind, wird dadurch nicht grundsätzlich geschmälert.

So gesehen ist der vorliegende Band aufgrund seiner inhaltlichen Kohärenz sinnvoll, gerade weil dadurch die Aufmerksamkeit auch auf Personen gelenkt wird, auf die man sonst nicht ohne weiteres stoßen würde. Diese Nützlichkeit wird erhöht durch eine Zeittafel, mittels derer die Aufklärer sozusagen nach Alterskohorten sortiert werden können, ferner durch ein Verzeichnis der deutschsprachigen Sozietäten des 18. Jahrhunderts als einem der hauptsächlichen Tummelplätze der aufgeklärten Intelligenz sowie durch ein Verzeichnis in Deutschland erschienener Periodika des 18. Jahrhunderts. Begrüßenswert ist ferner das ausführliche Personenregister, in das natürlich auch die von der deutschen Aufklärung rezipierten französischen oder englischen Aufklärer aufgenommen wurden, wobei dem Registereintrag Verweise auf die Lemmata, in denen sie erwähnt werden, beigefügt sind. In analoger Weise wurden im Ortsregister dem Fundstelleneintrag die mit dem jeweiligen Ort verbundenen Personennamen zugeordnet. Lokale Clusterbildungen werden auf diese Weise gut sichtbar. Mit dieser Verbindung von biografischen Artikeln und ausführlichem Anhang liegt zweifelsohne ein nützliches Kompendium zur deutschen Aufklärung vor.

Gleichwohl ist eine nicht unerhebliche Einschränkung zu machen: Zwar wurden die einzelnen Lemmata von ausgewiesenen Fachleuten verfasst und sind für eine erste Information zu Personen und ihrem Werk geeignet. Befremdlich ist allerdings die Uneinheitlichkeit, mit der auf weiterführende Literatur verwiesen wird. In zahlreichen Fällen ist die Rubrik "Literatur" relativ ausführlich ausgefallen und verzeichnet sogar neuere Lexikonartikel. In vielen Fällen allerdings ist die einschlägige Rubrik sehr schmal oder, noch misslicher, sie fehlt ganz - selbst bei Artikeln zu Persönlichkeiten, zu denen profunde Studien vorliegen; so fehlt beispielsweise beim Eintrag zum Straßburger Aufklärer Johann Daniel Schöpflin der Hinweis auf die 1979 vorgelegte Monografie von Jürgen Voss, und bei jenem zu Friedrich Christian Laukhard vermisst man die durch eine kommentierte Bibliografie und Materialien ergänzte 1992 vorgelegte Studie von Christoph Weiß. Wenn man ferner erwähnt, dass beispielsweise die Artikel zu Sophie von La Roche, Georg Friedrich Rebmann oder Gottfried August Bürger gleichfalls keinerlei Literaturhinweise enthalten, so wird vollends deutlich, dass der Wert des Bandes durch ein uneinheitliches redaktionelles Konzept beträchtlich geschmälert wird.

 

Winfried Müller

(Forrás: http://www.sehepunkte.de)